Was kostet eine Flasche Wein?

Im Kurs «Betreutes Trinken» für Weinbanausen werde ich oft gefragt, ob es sich lohnt, teuren Wein zu kaufen. Es ist immer die gleiche Frage mit der gleichen Antwort: Sehr oft lohnt es sich, nicht immer und ein Rezept gibt es nicht, denn «teuer» bedeutet für jeden etwas anderes.

Die spannende Frage ist ohnehin nicht die nach dem Preis, denn da könnte man einfach auf den Markt verweisen und auf die erste Stunde Wirtschaftslehre verweisen, wo so etwas wie Angebot und Nachfrage behandelt wird, sondern wie der Preis einer Flasche zustande kommt.

Klar, alles hat seinen Preis. Nur welchen genau? 100 Franken, 1’000 Franken oder rund 500’000 Dollar für eine einzige Flasche Wein, wie kürzlich bei einer Versteigerung der besten Jahrgänge der weltbesten Weingüter bezahlt wurde. Dumm nur, wenn der Wein ab Hof schon mal läppische 30’000 Franken kostet. Willst du wissen, was das für ein Wein ist? Wenn du einen Musigny von Leroy posten willst, musst du schon ein bisschen Schotter im Portokässeli haben, sonst wird das nichts. Da sind die 3’500 für einen Echezaux von der Domaine Romanée Conti geradezu ein Schnäppchen.

Und so wird ein normasterblicher Weinbanause und Galöri mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie in seinem Leben in den Genuss dieses Weines kommen. Natürlich ist das kein Weltuntergang. Für uns Normalsterbliche sieht die Realität schon anders aus. Da zuckt unsereins schon bei 50 Fränkli über Sinn und Unsinn zusammen, wägt ab und überlegt wie Einstein bei der Niederschrift der Theorie der Realität, ob er überhaupt das Risiko eingehen soll, zwei drei Flaschen von zu kaufen. Denn schliesslich bekommt man im Supermarkt für das gleiche Geld 6-12 Flaschen Vino. Der haut dann auch rein und man hat nach der einen Flasche genauso einen sitzen wie nach der teuren. Masse vor Klasse höre ich deshalb oft im Freundeskreis. «Weisch, mehr als 20 Franke zahli nie im Läbe für es Fläschli Wii!» (aber trinken, wenn man eingeladen ist. Isch ja logisch).

Der Weinfreund und Weinkenner, oder der, der sich eben dafür hält, ja für den ist der Gedanke zwar kognitiv nachvollziehbar, aber doch eher unverständlich, denn er sieht seine Leber nicht als Abfallbehälter für Fuselalkohole, sondern als Tempel des Guten. Frau schmiert sich schliesslich auch nicht Nivea ins Gesicht, sondern «Lotion» von Schiiwandoon im Minimun.

Aber wofür gebe ich eigentlich Geld aus, wenn ich eine Flasche Wein kaufe? Da ist zunächst einmal die sogenannte Hardware. Also Flasche, Etiketten, Korken, Karton, Kisten, Design, Maschinenpark und so weiter. Der Fachmann sagt dazu die «Produktionskosten», die vor Ort anfallen.

Dann kommt der Wein selbst. Natürlich ist es nicht einfach, die Kosten zu berechnen, aber man kann ein paar Faktoren wie die Lohnkosten, bzw. deren Unterschiede je nach Land und Lage berücksichtigen. Denn es ist schon ein kleiner Unterschied, ob man mit dem Lastwagen durch die Weinberge fahren kann, oder ob man bei 60° Hangneigung erst einen Kletterkurs machen muss, um zu wissen, wie man sich so sicher am Seil festhält, dass man sich bei der Ernte nicht den Hals bricht.

Die Lohnkosten sind also generell ein grosser Faktor, genauso wie die Maschinen und wie sie subventioniert werden (fast überall werden sie subventioniert). Und wer sich schon mal gefragt hat, warum ein Schweizer Bauer so viele Traktoren und Maschinen hat, während sich der durchschnittliche Banker nur einen Porsche leisten kann, der weiss jetzt warum).

Teure Weine

Noch knapp bezahlbar, wenn man auf den Jahresurlaub verzichtet.

Dann kommt es natürlich darauf an, ob man konventionell, biologisch oder gar biologisch-dynamisch arbeitet. Es gibt ja auch Förderungen von der EU. Aber das ist so wenig, da kann man genau 1x durch den Weingarten gehen und die Kohle ist durch. Dazu kommt, dass die Kalkulation an sich nicht einfach ist. Die Stockdichte, die Lage usw., alles fliesst ein. Und der biodynamische Winzer muss auch damit rechnen, dass seine Ernte ein Totalausfall ist. Also ein Jahr nichts verdient.

Also ich versuche das mal zusammenzufassen: Da sind also die «Produktionskosten» von ca. 2,- pro Flasche plus ca. 6,- für den biodynamisch erzeugten Wein. Dazu kommen Transport, Zoll und Mehrwertsteuer. Dann will der Importeur und Händler noch etwas verdienen und schon wird aus den 20,- ein knappes Hösli.

Angesichts all dieser Faktoren stellt sich die Frage: Was kann man von einer Flasche für 5 Stutz erwarten? Was sagt der Preis über den Wein aus? Weine in diesem Preissegment entstehen wohl in erster Linie bei der Verhandlung von Abnahmeverträgen mit Supermarktketten, da sie mit Abstand den grössten Marktanteil haben. Um solche Weine zu produzieren, wird vor allem in den USA eine genaue Käuferschicht definiert. Produktion, Etikettierung und Marketing werden entsprechend angepasst. Industriell hergestellte Weine mit einer eher kühlen, sehr kontrollierten Gärung mit Hilfe von Zuchthefen führen zu einfachen, aber effizienten Aromaprofilen, die eher an die Fruchtaromen eines banalen Industriejoghurts erinnern.

Kleine und mittlere Betriebe müssen sich entscheiden, wie sie sich am Markt positionieren wollen und ob sie ihr Terroir in die Flasche bringen oder etwas, das dem Markt gefällt. Winzer, die sich für Terroirweine mit viel Handwerk und Sorgfalt entscheiden, erzählen uns nicht selten, dass sie eigentlich von einem Jahreseinkommen ausgehen, das einem Existenzminimum entspricht, plus einer kleinen Reserve für Investitionen oder Landkauf. Eine nicht gerade offensive Preispolitik.

Alles kostet und billig ist selten wirklich gut

Nein, es muss nicht jede Woche ein 100-Franken-Wein sein, aber es sollte auch nicht so oft ein 5-Franken-Wein sein. Denn über die wichtigsten Kosten haben wir noch gar nicht gesprochen, nämlich die Kosten, die künftige Generationen für die intensive landwirtschaftliche Produktion bezahlen werden. Diese Kosten sind todsicher, aber ihre genaue Höhe ist noch nicht absehbar. Handwerkliche Sorgfalt und Engagement für ein authentisches Produkt werden unweigerlich mehr kosten als ein Convenience-Produkt, das mit klangvollen Namen romantische Weinvorstellungen weckt, ohne sie je erfüllen zu können. Ironischerweise können und wollen sich die oben genannten Phantasiepreise für Spekulationsobjekte vor allem diejenigen leisten, die an der Billigproduktion viel Geld verdienen.

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